Notfallseelsorge

Unser Angebot

Die Notfallseelsorge wendet sich an alle Menschen und deren Angehörige in Krankheitssituationen, unabhängig von ihrer Lebens- & Glaubensorientierung. Außerdem begleitet sie auch das Klinikpersonal in Krisensituationen durch Gespräche oder rituelle Handlungen. Sie bewegt sich in einem interkulturellen und multireligiösen Raum, unterliegt der Schweigepflicht und ist nicht den Kliniken zur Auskunft verpflichtet! In den Kliniken gibt es in der Regel eine ökumenische Kooperation, vor allem mit der katholischen Kirche.

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Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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„Oft Erste Hilfe, manchmal letzte Rettung“

Mitarbeitende der Krisenintervention und Notfallseelsorge bringen mit ihrem ehrenamtlichen Dienst Licht in die Dunkelheit von Unglücksfällen und anderen Krisensituationen. Neu in der Runde begrüßte das Team um die Koordinatoren (ab 2.v.l.) Reinhold Kovacs, Pfarrer Thomas Schill und Diakon Thomas Unkelbach nach erfolgter Ausbildung Andrea Sinn-Behrendt und Edda Schulz-Jahn. Den Blaulichtgottesdienst gestalteten (ab 2.v.r.) Dekan Steffen Held und Pfarrer Ulrich Neff.

Verstärkung hat das gemeinsame Team der Notfallseelsorge und Krisenintervention im Kreis Offenbach bekommen: Katholische und evangelische Kirche sowie der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) feierten in ihrem Blaulichtgottesdienst in Langen die Beauftragung und Segnung von Andrea Sinn-Behrendt und Edda Schulz-Jahn als Ehrenamtliche in der Ersten Hilfe an der Seele. Schon im Vorfeld waren Maria Bergmann und Kathrin Huth nach absolvierter Ausbildung ins Einsatz-Team berufen worden.

„Füreinander und für andere da sein – gemeinsam als starkes Team“ – unter diesem Motto gestalteten Pfarrer Thomas Schill und Diakon Thomas Unkelbach, die von evangelischer und katholischer Seite für Koordination und Begleitung der Notfallseelsorge in der Region verantwortlich sind, zusammen mit Reinhold Kovacs als DRK-Fachberater für Psychosoziale Notfallversorgung die feierliche Berufung der beiden neuen Ehrenamtlichen in den markanten violetten Einsatzjacken.

Den Gottesdienst feierten Langens katholischer Pfarrer Ulrich Neff und der evangelische Dekan Steffen Held mit weiteren Aktiven im Team der Krisenintervention und Notfallseelsorge, Vertreterinnen und Vertretern von Feuerwehr und Rettungsdiensten sowie interessierten Gottesdienstbesuchern in der Albertus-Magnus-Kirche.  

„Ihr geht dorthin, wo andere sich nicht hin trauen“

„Wir sind dankbar, dass es Menschen im Haupt-, Neben- und Ehrenamt gibt, die den Blick nicht von der Not abwenden, sondern hinschauen und auch dahingehen, wo es weh tut; Menschen, die oft Erste Hilfe leisten und manchmal die letzte Rettung sind; die ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren und dabei teilweise noch beschimpft und beleidigt werden“, würdigte Dekan Held in seiner Predigt zur biblischen Erzählung von der „Heilung des Gelähmten“ im Markus-Evangelium das große Engagement von Menschen, die sich bei Polizei und anderen Ordnungsbehörden, bei Feuerwehr, Rettungsdiensten, DLRG und THW für das Wohlergehen aller einsetzen. 

„Wir freuen uns zudem, dass unser Team in der Krisenintervention und Notfallseelsorge auch in diesem Jahr wieder Verstärkung bekommen hat und sich so viele aktiv bei uns einbringen. Auch Ihr geht dorthin, wo andere sich nicht hin trauen und handelt, damit Menschen in Not geholfen wird und die Einsatz- und Rettungskräfte sich voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren können“, hob der Dekan des Evangelischen Dekanats Dreieich-Rodgau den „wichtigen Dienst der Nächstenliebe, einen Dienst des Evangeliums für die Gesellschaft“ hervor.

Hintergrund: Krisenintervention und Notfallseelsorge

Im Kreis Offenbach arbeiten die großen Kirchen und das Rote Kreuz seit 1996 in der Krisenintervention und Notfallseelsorge zusammen, um sicherzustellen, dass Menschen in Krisensituationen sowohl psychologisch als auch geistlich bestmöglich betreut werden. Die aktuell 20 ehren- und hauptamtlichen Einsatzkräfte absolvieren rund 50 Einsätze im Jahr.   

Die Alarmierung erfolgt in der Regel über die Rettungsleitstelle, wo Notrufe unter der Rufnummer 112 eingehen. Krisenintervention und Notfallseelsorge bieten Betroffenen ebenso wie Rettungs- und Einsatzkräften unmittelbar nach traumatisierenden Ereignissen – wie Unfällen, Unglücken, plötzlichen Todesfällen oder Naturkatastrophen – Unterstützung an, um Betroffene zu stabilisieren und sie durch die erste Phase des Schocks und der Verzweiflung zu begleiten.

Die Krisenintervention konzentriert sich vor allem auf das Auffangen und Stabilisieren von Menschen in Krisensituationen. Sie soll helfen, akute Belastungsreaktionen zu mindern und den Betroffenen in der ersten Notlage zur Seite zu stehen, bis sie wieder handlungsfähig sind oder weiterführende Hilfe in Anspruch nehmen können.

Die von den Kirchen angebotene Notfallseelsorge legt zusätzlich Wert auf die spirituelle und seelische Begleitung. Sie bietet auch religiösen Trost und Gebet, wenn dies gewünscht wird. Notfallseelsorger*innen bieten die Vermittlung in weiterführende Begleitung durch Pfarrer*innen, Trauergruppen oder ähnliche Angebote an.

Artikel und Foto sind von Kai.G Fuchs

Blaulichtgottesdienst bietet Impulse, Dankesworte und Perspektiven

 11.11.24 - Zahlreiche Einsatzkräfte aus allen Bereichen – Feuerwehr, Polizei, THW und Rettungsdienste – hatten vor wenigen Tagen den Weg in die Evangelische Kirche in Mücke-Merlau gefunden. Dorthin hatte die Notfallseelsorge im Vogelsbergkreis eingeladen, um den diesjährigen Blaulichtgottesdienst mit anschließendem Beisammensein zu erleben.

Traditionell findet dieser Gottesdienst einmal jährlich statt, um den Einsatzkräften Trost, Mut und Segen zuzusprechen, aber auch um Dankbarkeit und Wertschätzung Ausdruck zu verleihen. Darüber hinaus werden Begegnungen und Austausch gefördert. Thomas Schill, Pfarrer für Notfallseelsorge im Vogelsbergkreis (sowie in Gießen und dem Landkreis und der Stadt Offenbach), begrüßte namentlich viele Vertreter der einzelnen Gruppen, darunter Pastoralreferent Markus Reuter, Referatsleiter der Notfallseelsorge im Bistum Mainz, Pfarrerin Dr. Carmen Berger-Zell vom Zentrum Seelsorge und Beratung, Susanne Pfeffer für den Katastrophenschutz im Vogelsberg und Roman Eisenbach von der Polizeidirektion Vogelsberg.

Pfarrerin Verena Reeh würdigte im Gebet die vielen Facetten der Arbeit der haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräfte, die nicht nur Not linderten, sondern auch für die Gemeinschaft essentiell wichtig seien. Gemeinsam mit den Konfirmanden hatte sie eine Dankeschön-Aktion vorbereitet: Einzelne Vertreter alle anwesenden Gruppierungen konnten sich einen lila Schokoladenorden für ihre wichtige Tätigkeit abholen – eine Geste, die gute Laune machte und die herzliche Atmosphäre unterstrich.

Da der Gottesdienst die einzige große Zusammenkunft dieser Art unter den Einsatzkräften ist, stehen hier auch regelmäßig Personalia auf dem Programm. Dieses Mal stellte Markus Reuter die Gemeindereferentin Michaela Ziegler vor. Sie wurde vom Bistum Mainz entsendet, um als Seelsorgebeauftragte des Bistums auch im Dekanat Vogelsberg die Notfallseelsorge zu unterstützen. Die Notfallseelsorge sei ein "Herzensprojekt" von ihr, sagte Ziegler, die sich sichtlich freute, ihr neues Amt im Vogelsberg zu übernehmen. Sie gestaltete die Schriftlesung, bevor Notfallseelsorger Jochen Tobisch einen Impuls aus seinen Erfahrungen der letzten Jahre vorbrachte.

Seit 2017 ist er in der Notfallseelsorge aktiv und kommt auf 68 Einsätze: Unfälle, Suizide und auch ein Mord zählten dazu. Er berichtete von dem plötzlichen Tod einer jungen Frau, die einen völlig fassungslosen Ehemann zurückließ. Tobisch beschrieb das anfängliche Schweigen bis der jungen Witwer sich öffnen konnte und an den Seelsorger klammerte wie an einen Balken im Meer. Er selbst habe sich wie ein Strohhalm im Wasser gefühlt; dennoch konnte er Kraft und Zuversicht vermitteln. "Es ist ein wichtiges Grundprinzip der Menschen, dass wir uns in Notlagen helfen", so der Notfallseelsorger, der zu seiner Aufgabe passend das Bild von einem Puzzlekasten anführte, dessen lose Teile zu einem ordentlichen Bild zusammengefügt werden müssten. Wichtig dafür sei, dass die Menschen, die dies versuchen, es auch könnten; mental und fachlich. Dafür gebe es eine Ausbildung und Menschen, die unterstützen. Trotz aller Belastungen tue es am Ende gut, Menschen auf die Weise, wie es die Notfallseelsorger tun, zu helfen.

Aufschluss über die Arbeit

Auch ein Interview mit den beiden neuen Notfallseelsorgerinnen Anneli Becker und Yvonne Jenisch lieferte noch einmal Aufschluss über die Arbeit in der Notfallseelsorge. Sie berichten Thomas Schill, Michaela Ziegler und den Gottesdienstbesuchern von beeindruckenden Ergebnissen aus ihrer Ausbildung und Hospitation sowie ihrer Motivation. Im Anschluss wurden sie von den beiden Koordinatoren in ihr Amt eingeführt: Gottes Zusage, bei ihnen zu sein, solle sie in Ausübung ihres Ehrenamtes stärken und stützen.

Zum Abschluss des Gottesdienstes, den die Organistin Doris Kuhl musikalisch gestaltet hatte, richtete als Vertreterin des Evangelischen Dekanats Vogelsberg die ehrenamtliche Vorsitzende der Dekanatssynode Sylvia Bräuning das Wort an die Einsatzkräfte: "Nichts von dem, was Sie tun, ist normal oder selbstverständlich. Herzlichen Dank, dass Sie da sind."

 

Notfallseelsorge Wetterau feiert Blaulichtgottesdienst

Blaulichtgottesdienst, Notfallseelsorge Wetterau

Podcast hr4 "Gemeindeportraits"

Traditionell am Freitag vor dem Volkstrauertag hat die Notfallseelsorge Wetterau alle Blaulichtorganisationen zu einem Gottesdienst mit anschließendem gemütlichen Beisammensein eingeladen. Einsatzkräfte der Feuerwehren, der Rettungsdienste, des Technisches Hilfswerks, der DLRG und der Wetterauer Polizeistationen folgten der Einladung in die Evangelische Kirche Beienheim, die entsprechend dem Motto „DU BIST DAS LICHT DER WELT“ sehr stimmungsvoll illuminiert und mit Kerzen geschmückt war.

 

Geleitet wurde der Gottesdienst von dem evangelischen Pfarrer Jörg Fröhlich, Nachbarschaftsraum Mittlere Wetterau, und vom katholischen Pfarrer Bernd Richard aus Ilbenstadt. Sowohl die Predigt als auch die Lieder thematisierten das Licht, das jeder und jede aus der Blaulichtfamilie in die dunkelsten Situationen und die dunkelsten Stunden zu Betroffenen bringen kann. Dazu passte neben dem Lied „Du bist das Licht der Welt“ auch das fetzige Lied „My Lighthouse“, begleitet von einer spontan entstandenen Band! Besonders emotional wurde es, als Bestatterin Bettina Skottke, Wölfersheim, zusammen mit Stefan Bodem den Song „Schön, dass es dich gibt“ von Martin Pepper darboten.

 

Witold Tuszinsky entlockte der neuen Beienheimer Orgel fulminante Töne. Gemeinsamen Fürbitten durch die Hilfsorganisationen folgten Grußworte von Landrat Jan Weckler und der Reichelsheimer Bürgermeisterin Lena Herget. Die Kollekte kommt je zur Hälfte den Vereinen „Lebensfluss“, Friedberg, und „Atemzeit“, Wölfersheim, zugute. Ebenfalls traditionell richteten die ortsansässigen Feuerwehren, in diesem Jahr somit die Freiwillige Feuerwehr Beienheim, das gemütliche Beisammensein aus. Bei leckeren Suppen und vielen privaten Gesprächen verbrachte die Blaulichtfamilie gemeinsam den Abend. Der nächste Blaulichtgottesdienst findet am 14. November 2025 im östlichen Teil der Wetterau statt.

Text: Pfarrer Jörg Fröhlich

Julia Kratz neue evangelische Leiterin der Notfallseelsorge und Krisenintervention in Südhessen

Privat

Julia Kratz ist die neue evangelische Leiterin der Notfallseelsorge und Krisenintervention in Darmstadt und Umgebung. Diese wird getragen vom Evangelischen Dekanat Darmstadt, dem Bistum Mainz und dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Südhessen. Die Psychologin ist bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) angestellt und hat ihren Sitz im Dekanat in der Kiesstraße 14 in Darmstadt. Julia Kratz ist zudem in der Leitung der Notfallseelsorge und Krisenintervention der Dekanate Vorderer Odenwald und Odenwald tätig. Am Montag, 24. Juni, wird sie in einem Gottesdienst um 16 Uhr in der Christophoruskirche, Herdweg 122, in Darmstadt durch Pfarrer Christoph Schuster, Leiter des Zentrums Seelsorge und Beratung, in ihren Dienst eingeführt.

Als Fachkraft für psychosoziale Notfallversorgung ist Julia Kratz in den Dekanaten für Aus-, Fort- und Weiterbildung zuständig. Die Einsatzplanung wird von Haupt- und Ehrenamtlichen vor Ort koordiniert. In Darmstadt arbeitet sie mit den Hauptamtlichen Susanne Fitz vom Bistum Mainz und Detlef Winterstein vom ASB im Leitungsteam zusammen. Zurzeit bereitet Julia Kratz Informationsabende vor, die ab Juli an verschiedenen Orten in der Region starten sollen. Bei den Ausbildungskursen für Ehrenamtliche kümmert sie sich mit um Referentinnen und Referenten sowie die Organisation.

Für die Zweiunddreißigjährige war es wichtig, „eine sinnstiftende Arbeit“ zu tun. Die hat sie in ihrer neuen Stelle gefunden, wie sie sagt. Dass sie in einem besonders sensiblen Bereich arbeitet, ist ihr bewusst. Sie sieht sich selbst auch als achtsame, sinnliche und spirituelle Person. Ein Notfall könne in jede Situation plötzlich einbrechen. Dann gelte es zunächst, Ohnmacht und Hilflosigkeit zu begegnen. „Weniger ist mehr“, sagt sie, oft sei es wichtig, einfach nur da zu sein und mit auszuhalten. Nicht angebracht sei etwa, Notsituationen zu „bagatellisieren oder schönzureden“. Die Bedürfnisse Betroffener seien unterschiedlich. Manche bräuchten reine Anwesenheit, Hilfe bei Strukturierung und Wiedergewinnen der eigenen Handlungsfähigkeit, andere wünschten Segnung oder Gebet. Die Notfallseelsorge genieße einen „hohen Stellenwert in der Gesellschaft“, sagt Julia Kratz. Auch bei öffentlichen Anlässen wie einer Einweihung von Einsatzfahrzeugen oder auch dem Blaulichttag in Darmstadt am 7. September auf dem Friedensplatz ist sie mit dabei.

An ihrer neuen Stelle sei sie „überall herzlich empfangen worden“, wie sie sagt. Julia Kratz arbeitet viel mit Ehrenamtlichen zusammen. „Das ist viel Beziehungsarbeit“, sagt die gebürtige Weinheimerin, die jetzt in Darmstadt wohnt. Sie bringe ihnen gegenüber viel Wertschätzung zum Ausdruck, da diese einen großen Teil ihrer Freizeit für eine Arbeit mit „besonders herausfordernden Situationen“ opferten. Julia Kratz führt auch regelmäßig Nachsorgegespräche mit den Ehrenamtlichen.

Bereits in ihrem Studium hat sich Julia Kratz mit Notfallpsychologie beschäftigt. Neu ist für sie die Arbeit bei der Kirche. Sie teile die hier vertretenen Werte wie Offenheit, Toleranz oder ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe. Zuvor hat Julia Kratz als Psychologin in einer Klinik, bei einem Bildungsträger und in der beruflichen Rehabilitation gearbeitet. Bereits während ihres Studiums war sie ehrenamtlich in einer psychosozialen Beratungsstelle tätig und hat sich in systemischer Beratung, Gesundheitscoaching und Stressmanagement weitergebildet. In ihrer Freizeit ist sie gern in der Natur unterwegs, backt, kocht und besucht gern Candlelight-Konzerte.

„Wir helfen, die ersten Stunden zu durchleiden“

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau blickt auf 30 Jahre Notfallseelsorge zurück / Pfarrerin Christine Zahradnik erlebt bei ihren Einsätzen alle Trauerreaktionen

Vor 30 Jahren wurde in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) der erste Verein für Notfallseelsorge gegründet. Nach den Vorreitern in Wiesbaden sind inzwischen rund zwei Dutzend weitere Gruppen für Notfallseelsorge entstanden. Die EKHN feiert diesen runden Geburtstag am 18. November in Frankfurt im Dominikaner-Kloster mit einem Festgottesdienst. Wir haben mit Christine Zahradnik, hauptamtliche Pfarrerin für Notfallseelsorge der EKHN und Leiterin der Gruppen im Kreis Groß-Gerau sowie im Main-Taunus- und im Wetteraukreis, über die psychosoziale Hilfe bei Notfällen gesprochen.

 

Frau Zahradnik, Welche Rolle spielt das Engagement der Seelsorgerinnen und Seelsorger, die den Menschen in akuten Krisen und bei belastenden Ereignissen beistehen, heute im breiten Spektrum des Notfallsystems?

Dass neben der medizinischen und technischen Hilfe heute auch die seelsorgliche Unterstützung, sozusagen eine Erste Hilfe für die Seele, ihren Platz hat, ist eine Folgerung aus der uralten Erkenntnis: Leib und Seele hängen zusammen. Menschen brauchen in akuten Notsituationen Beistand. In solchen schwierigen Momenten begleiten Pfarrerinnen und Pfarrer Betroffene seit jeher im Rahmen ihres Seelsorgeauftrages. Die Veränderung unserer gesellschaftlichen und kirchlichen Strukturen und die Erfahrungen bei Unglücken haben dazu geführt, dass sich Seelsorge in diesem Bereich neu aufstellen musste. Wir haben ein System von Bereitschaftsdiensten aufgebaut, um verlässlich Seelsorge in akuten Notsituationen leisten zu können. Dafür braucht es Menschen, die die Bereitschaft rund um die Uhr aufrechterhalten.

 

Wenn Sie und Ihr Team gerufen werden, geht es fast immer um Tod. Die Hauptursachen für die Einsätze sind Verkehrsunfälle, Suizide oder plötzliche Todesfälle. Das ist für Betroffene und Angehörige eine Katastrophe. Wie können Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger in diesem Augenblick der größten Verzweiflung überhaupt helfen?

Plötzliche Todesfälle – meist im häuslichen Bereich – sind die Hauptanlässe für Alarmierungen der Notfallseelsorge. Wir unterstützen auch die Polizei bei der Überbringung von Todesnachrichten. Für Betroffene und Angehörige ist das meist der bis dahin schlimmste Moment in ihrem Leben. Nichts ist mehr so wie es war. Wir kommen aus unserer relativ heilen Welt und fahren in eine Welt, die zerbrochen ist. Ich bin überzeugt, mit diesem Bewusstsein, mit einer normalen Portion Menschenliebe im Gepäck und ihrer guten Ausbildung bringen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger etwas Wichtiges mit: Zuwendung, Unterstützung und Zeit, ebenso eigene Stabilität, um die Reaktionen Betroffener auszuhalten und stehenzulassen. Ich nenne es auch ein Stück der Liebe Gottes. Im Idealfall helfen wir, diese ersten Stunden zu durchleiden, wieder etwas festeren Boden unter die Füße zu bekommen, die ersten Schritte zu gehen und den Blick für eine Perspektive zu öffnen.

 

Es heißt, kein Fall sei wie der andere. Wenn die Situationen und Menschen so unterschiedlich sind, stoßen Sie dann auch auf alle Facetten der Trauer? Wie reagieren die Betroffenen?

Ja, jeder Fall ist anders. Es gibt Ähnlichkeiten, Lebenssituationen, die sich gleichen. So vielfältig jedoch wie die Menschen und die Ereignisse sind, so unterschiedlich sind auch ihre Reaktionen und die Trauer der Menschen. Alles, was man sich an Trauerreaktionen vorstellen kann, erleben wir – und noch viel mehr. Die einen werden laut oder stumm, andere aggressiv, brechen zusammen, weinen, wirken versteinert oder scheinbar völlig ungerührt – alles kann sein. Ich weiß nicht, ob es etwas nicht gibt.

 

Hören Sie in den Notfällen oft die große Frage, warum musste das geschehen oder mit Blick auf die Kirche und den Glauben, warum hat Gott das zugelassen? Gibt es darauf überhaupt Antworten? Welche Kraft liegt in dem Moment, wenn Sie nur mit Gesten reagieren oder gemeinsam schweigen?

Nach meinem Gefühl steht diese Frage viel seltener im Fokus, als ich erwarten würde. Vielleicht rückt sie erst etwas später ins Zentrum? Eine Antwort gibt es nach meinem ganz persönlichen Glauben nicht. Je länger ich Pfarrerin bin, desto mehr frage ich mich, was könnte eine Antwort von außen helfen? Wenn Fragen offen bleiben, scheint mir das viel angemessener. Der Schmerz, die Wut, die Verzweiflung – all das brennt so sehr, da setzt eine Antwort einen viel zu voreiligen Punkt und schließt etwas ab, das offen ist, gerade begonnen hat und Zeit braucht. Die größte Kraft liegt meiner Erfahrung nach da, wo Notfallseelsorge dieser Frage, der Klage, der Trauer und ihrem Ausdruck so viel Raum gibt, wie sie braucht. Manchmal hören wir einen anklagenden Wortschwall oder alle schweigen. Das Entscheidende ist, dass Notfallseelsorge den Weg der Betroffenen mitgeht und vorsichtig Impulse gibt. Letztlich wird es nur die eigene Antwort sein, die Betroffenen helfen kann. Was passiert ist, muss im Leben einen Platz finden und eingeordnet werden.

 

Woher nehmen Sie die Kraft, anderen in diesen höchst emotionalen Momenten zu helfen?

So wie mir mein Glaube als Gemeindepfarrerin half, wenn ich an Gräbern stand, so hilft es mir als Notfallseelsorgerin. Ob dieser Glaube im Gespräch Thema ist oder nicht, ob ein Gebet gewünscht wird oder nicht – für mich selbst ist das der Boden, auf dem ich stehe, der mir Stabilität bringt und diese möchte ich weitergeben. Wichtig ist auch eine Portion Menschenliebe und dass es mich berührt, wenn Menschen Kummer haben. Diese Empathie gibt mir die Kraft, in Momenten stark zu sein, in denen ein Mensch all seiner Kräfte beraubt wurde.

Achten Sie auch auf sich selbst?

Ja, Eigenfürsorge ist wichtig. Alle müssen die eigenen Grenzen kennen. Es braucht auch einen gewissen Abstand, eine professionelle Distanz, um unterstützen zu können. Trotzdem gibt es auch bei uns Tränen, allerdings ohne dass wir zu Mit-Leidenden werden. Der Austausch nach Einsätzen mit den Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit von Nachgesprächen mit mir als Leiterin des Teams, somit die Seelsorge für die Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie Supervisionsangebote helfen bei der Be- und Verarbeitung der Erfahrungen aus Einsätzen.

 

Haben Notfallseelsorgende etwas gemeinsam? Was sind das für Menschen, die sich um andere, für die eine Welt zusammengebrochen ist, kümmern? Was motiviert Sie?

Bestimmt haben wir alle etwas gemeinsam, obwohl wir so unterschiedlich sind. Wir haben eine kunterbunte Vielfalt, die beispielweise aus Pfarrerinnen, Hörgeräteakustikern, Lehrerinnen, Piloten, Bankkaufleuten, Therapeuten und Handwerkern besteht. Ich glaube, es ist die Menschenliebe. Es ist uns wichtig, dass wir den Menschen beistehen und zwar sofort, mittendrin im „Chaos“, wenn die Wellen über ihnen zusammenschlagen. Gemeinsam sind uns auch die Stärke, die eigene Stabilität, eine unvoreingenommene Haltung sowie ein ausgeglichenes Verhältnis von Empathie und professioneller Distanz. Egal wen wir antreffen, er oder sie ist immer unsere Nächste. Ich spüre die größte Motivation, die es geben kann, wenn ich aus dem Einsatz mit dem Gefühl komme, etwas Sinnvolles getan zu haben.

 

Wie vermeiden Sie es, das Erlebte nach dem Dienst mit nach Hause zu nehmen? Wie können Sie selbst das alles verarbeiten?

Wir bieten bei unseren Teamabenden Supervisionen an. Es gibt sehr individuelle Gewohnheiten, um das Erlebte zu verarbeiten. Der eine fährt mit dem Fahrrad, die nächste läuft, andere beten. Ich selbst rede nach einem Einsatz mit den Teamkolleginnen und -kollegen. Und wenn mich etwas sehr beschäftigt, muss sich meine Frau unglaublich viel anhören und das mehrfach.

 

Früher gab es nur ein kurzes Seminar zur Vorbereitung auf die schwierigen Aufgaben, wie sieht die Ausbildung in der Notfallseelsorge heute aus?

Aktuell gilt ein Curriculum von mindestens 120 Unterrichtseinheiten. Dem schließt sich eine Hospitation in der Notfallseelsorge an, bei der die Kursabsolventinnen und -absolventen mit erfahrenen Notfallseelsorgerinnen Einsätze fahren und dabei erste eigene Erfahrungen in der Praxis sammeln. In dieser Phase gibt es jeweils Hospitationsschichten bei Rettungsdienst und Polizei, um auch deren Seite eines Einsatzes, die Strukturen und Organisation kennenzulernen. Für die aktiven Notfallseelsorgenden sind außerdem regelmäßige Schulungen vorgesehen.

Wenn Sie sich zum runden Geburtstag der Notfallseelsorge in der EKHN etwas wünschen dürften, was wäre das?

Ich wünschte mir so etwas wie Selbstverständlichkeit für unseren Dienst. Wo Menschen Unglück widerfährt, haben wir als Kirche – zumindest nach meinem Bild – an ihrer Seite zu sein. Für diese zentrale kirchliche Grundaufgabe wünsche ich mir die nötige Unterstützung, um den Dienst verlässlich zu leisten. Wir bleiben bei den Menschen, auch wenn alle anderen Einsatzkräfte schon wieder zu neuen Aufgaben aufbrechen müssen.

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