Notfallseelsorge

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Die Notfallseelsorge wendet sich an alle Menschen und deren Angehörige in Krankheitssituationen, unabhängig von ihrer Lebens- & Glaubensorientierung. Außerdem begleitet sie auch das Klinikpersonal in Krisensituationen durch Gespräche oder rituelle Handlungen. Sie bewegt sich in einem interkulturellen und multireligiösen Raum, unterliegt der Schweigepflicht und ist nicht den Kliniken zur Auskunft verpflichtet! In den Kliniken gibt es in der Regel eine ökumenische Kooperation, vor allem mit der katholischen Kirche.

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Welt-Autismus-Tag

Autisten in der Arbeitswelt

colourbox.deAutisten sind selten in den Arbeitsmarkt integriert

Kurz vor dem Welt-Autismus-Tag am 2. April erhält das soziale Unternehmen „auticon“ den IQ-Preis von Mensa, dem Verein der Hochbegabten in Deutschland. Das Unternehmen habe das gesellschaftliche Bild von Autisten positiv verändert, so die Begründung. Aber was ist das Besondere an Autisten im Arbeitsleben?

Erika von BassewitzDirk Müller-Remus, Geschäftsführer und Gründer von auticon, hat selbst einen autistischen Sohn

Robert* ist Autist. Diplom-Mathematiker ist er auch. Das Studium hat er mit Bestnoten abgeschlossen. Laut Behindertenausweis liegt sein Grad der Behinderung bei 80. Damit ist er offiziell geistig schwerbehindert. Auf den ersten Blick fällt das nicht auf. Mit seinen Geheimratsecken und der Brille wirkt er wie jemand, der studiert hat. Der bald Vierzigjährige freut sich über Gesellschaft, und er erzählt gerne. Zum Beispiel über Fußball, den mag er - aber nur passiv. Und wer wann Geburtstag hat, das interessiert ihn. Kaum lernt er jemanden kennen, fragt er ihn nach seinem Geburtsdatum. Im Kopf rechnet er dann aus, an welchem Wochentag die Person geboren ist. Und er merkt sich das Datum. Einen Geburtstag habe Robert noch nie vergessen, sagt sein Vater. Das ist die gute Seite von Roberts Anderssein. Auf der anderen Seite erträgt Robert keine Veränderungen. Als seine Mutter einmal den Küchentisch umgestellt hat, ist er durchgedreht, hat geschrien und den Tisch wieder zurück geschoben.

Hochintelligent, aber unsozial

Beides ist typisch für Asperger-Autisten. Sie gelten als hochintelligent, detailgenau und wahrheitsliebend, aber ihnen fehlt es an Empathie, also an der Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. „Rate mal, wer nächste Woche Geburtstag hat, “ fragt Robert, auch wenn sein Gesprächspartner diese Leute gar nicht kennen kann. Aber das ist ihm trotz seiner Intelligenz nicht bewusst. Er kann stundenlang erzählen – obwohl sein Gegenüber den Blick abwendet, auf die Uhr und zur Tür sieht. Seine Stimme bleibt laut und monoton, Emotionen scheinen keine Rolle zu spielen.

Robert mag Dinge, die er kennt. Kalender, Daten, Zahlen - all das fasziniert ihn. Seine Freizeit verbringt er gerne in der evangelischen Kirche, gemeinsam mit anderen liest er dort die Bibel. „Neulich habe ich auch eine Andacht gehalten, “ erzählt er stolz. Am meisten aber schätzt er die Ruhe, die er dort findet.

Angst vor Eindrücken macht den Alltag schwierig

Menschen wie Robert aus dem Autismus-Spektrum möchte Dirk Müller-Remus in seiner Firma auticon als IT-Consultant beschäftigen. Er selbst ist Vater eines Autisten, daher kennt er ihre Eigenheiten: „Mein Sohn ist hochintelligent, aber er kann nicht alleine im Supermarkt einkaufen, weil da zu viele Lichter und Eindrücke sind.“

Auch Robert ist beim Licht empfindlich. Wenn jemand in einem halbdunklen Raum ohne Vorwarnung das Licht anmacht, „dann kann mir das in den Augen wehtun“, sagt er. Er weiß, dass er anders ist. „Die Leute meinen das vielleicht gut, aber für mich ist das schlimm.“

Jeder Autist ist anders, hat seine eigenen Besonderheiten und Probleme. Deshalb stellt auticon neben Autisten auch nichtbehinderte Betreuer ein, die bei auticon Jobcoaches heißen und den Autisten im Arbeitsalltag zur Seite stehen. Die Autisten selbst arbeiten wie normale Berater bei Unternehmen aus der freien Wirtschaft, von IT über Banken und Industrie bis hin zur Wissenschaft. 2011 hat Müller-Remus auticon in Berlin gegründet, mittlerweile gibt es Dependancen in Düsseldorf und München. Im April will er die ersten Frankfurter Berater in die Unternehmen schicken. „Bis Ende des Jahres sollen am hessischen Standort rund 15 Consultants beschäftigt sein, “ erklärt der gebürtige Frankfurter.

Loyal, ehrlich und zuverlässig

Als Arbeitgeber sieht er nicht nur die Beeinträchtigungen, sondern auch die Vorteile von Mitarbeitern mit Autismus: „Sie sind loyal, wahrheitsliebend, detailgenau und zuverlässig.“ Und sie befolgen Anweisungen sehr genau, nehmen alles wörtlich: Einem Mitarbeiter wurde gesagt, er solle erst aufhören, wenn er fertig sei, berichtet Müller-Remus. Der Autist habe das wörtlich genommen und saß bis zwei Uhr nachts ohne zu essen und zu trinken an seinem Computer.

Diese speziellen Eigenheiten machen den Alltag im Arbeitsleben manchmal schwierig. Laut Müller-Remus sind die meisten Autisten langzeitarbeitslos. Auch Robert bezieht Hart IV - obwohl Mathematiker als begehrt gelten. „Ich hatte mal einen Job, aber die haben mich gefeuert, weil ich zu langsam bin, “ erzählt er freimütig. Auch beim Bewerbungsgespräch.

Er träumt davon, in einem eigenen Büro zu arbeiten, mit Kollegen in anderen Räumen und einem Betreuer, an den er sich bei Problemen wenden kann. Home-Office passe nicht zu ihm: „Da kann ich mich entweder nicht motivieren – oder ich traue mich nicht, mit dem Arbeiten aufzuhören.“

Integrationsfachdienste treffen selten Autisten

Hilfen für Autisten sind selten. „Sie sind da ganz schnell bei Behindertenwerkstätten“, bedauert Müller-Remus. Diese sind nicht auf Akademiker und hochintelligente Menschen eingestellt. Dabei gibt es einen speziellen Beratungsdienst für behinderte Menschen und deren Arbeitgeber, die Integrationsfachdienste, kurz IFD. Die Berater dort helfen behinderten und schwerbehinderten Menschen in den Beruf. Verantwortet wird die Arbeit im Rhein-Main-Gebiet von den Trägervereinen Diakonisches Werk Main-Taunus, Frankfurter Verein für soziale Heimstätten und Verein Perspektiven. Bei den regionalen Integrationsfachdiensten der Diakonie aber kann sich auf Anfrage keiner der befragten Berater daran erinnern, jemals einen Autisten vermittelt zu haben.

SAP stellt Hunderte von Autisten ein?

Der weltweit agierende IT-Konzern SAP hatte im Mai 2013 angekündigt, bis zum Jahr 2020 weltweit 6500 Autisten beschäftigen zu wollen. Diese sollten als Softwaretester, Programmierer und Spezialisten für Datenqualitätssicherung arbeiten. Das Programm sollte 2013 zunächst in den USA, Kanada und Deutschland starten.

SAP arbeitet dabei eng mit dem dänischen Unternehmen Specialisterne zusammen, das auf die Integration von Autisten in den Arbeitsmarkt spezialisiert ist. Seit März 2013, also kurz bevor die SAP-Kooperation bekannt gegeben wurde, hat Specialisterne eine deutsche Niederlassung eröffnet. Dort kümmert man sich um die Auswahl geeigneter Autisten für den IT-Konzern. „SAP stellt Hunderte Autisten ein“ titelte der Spiegel im Mai 2013. Zehn Monate später beschäftigt das Walldorfer DAX-Unternehmen eigenen Angaben zufolge sieben Autisten. Wie viele es noch werden sollen, will der Software-Gigant nicht sagen.

Traum: Auticon für Mathematiker

Robert würde sich gerne bei SAP bewerben, bei auticon hat es nicht geklappt: Er ist kein IT-Spezialist, und nur die stellt Müller-Remus ein. „Wir arbeiten eben in der freien Wirtschaft“, erklärt er. „Wir können nur Autisten einstellen, deren Interessenschwerpunkt in der IT liegt.“ Dass er damit viele Autisten ausschließt, weiß er: Von 3000 Asperger-Autisten seien vielleicht 450 IT-Spezialisten, und davon wiederum nur ungefähr ein Drittel sozial in der Lage als Consultant zu arbeiten. Sein eigener Sohn fällt aus diesem Raster, denn er mag Kunst. Robert hingegen begeistert sich für die mathematischen Teilgebiete Analysis und Stochastik. Dass es auticon gibt, findet er trotzdem gut. „Das müsste es jetzt auch für Mathematiker geben, “ träumt er, also „autimat“.

In der Realität aber will er sich jetzt früh verrenten lassen. „Dann kann ich einer behindertengerechten Tätigkeit in einer Werkstatt nachgehen.“ Eine Alternative dazu sieht er nicht mehr. Ob er dort in seinem Fachgebiet arbeiten kann, weiß er nicht. Aber wenigstens sitzt er so nicht mehr die ganze Zeit zu Hause herum.

*Name von der Redaktion geändert

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