Notfallseelsorge

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Die Notfallseelsorge wendet sich an alle Menschen und deren Angehörige in Krankheitssituationen, unabhängig von ihrer Lebens- & Glaubensorientierung. Außerdem begleitet sie auch das Klinikpersonal in Krisensituationen durch Gespräche oder rituelle Handlungen. Sie bewegt sich in einem interkulturellen und multireligiösen Raum, unterliegt der Schweigepflicht und ist nicht den Kliniken zur Auskunft verpflichtet! In den Kliniken gibt es in der Regel eine ökumenische Kooperation, vor allem mit der katholischen Kirche.

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Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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Krieg und Verfolgung

Die Lage der Christen im Nahen Osten

Heidi FörsterSchwaigert redet mit erhobenem ZeigefingerVon links nach rechts: Birgit Schlegel, Dekanin im Ev. Dekanat Groß-Gerau, Holger Tampe, Dekanatssynodalvorstandsvorsitzender, und Prof. Dr. Wolfgang Schwaigert.

Bei ihrer Tagung der Dekanatssynode am 27. Juni 2014 befassten sich die Delegierten aus den Kirchengemeinden des Evangelischen Dekanats Groß-Gerau mit der Verfolgung der Christen im Nahen Osten.

Den Hauptvortrag hielt der Theologe Prof. Dr. Wolfgang Schwaigert aus Blaubeuren, Baden-Württemberg. Der arabisch sprechende Wissenschaftler hob den Fingerzeig auf die verheerende Lage der verfolgten Christen im Nahen Osten und skizzierte deren Situation vor allem in Syrien und im Irak. Die milliardenschwere, sunnitische Kampftruppe Isis habe das Ziel, das alte orientalische Reich wieder aufzurichten. Infolge ihres brutalen Eroberungsfeldzugs seien mehr als 6,5 Millionen Menschen im Nahen Osten auf der Flucht. 9,3 Millionen Menschen, die Hälfte davon seien Kinder, benötigten Hilfen. Eine Kriegsfolge, so Schwaigert: „2011 und 2012 bekamen 5000 Kinder keine Polioimpfung, daraufhin brach 2013 in Syrien die Kinderlähmung aus.“

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), so Wolfgang Prawitz, Pfarrer für Ökumene und Bildung im Ev. Dekanat Groß-Gerau, habe bereits 2010 für christliche Gemeinden im Irak und für Flüchtlinge 120.000 Euro bereitgestellt. Seit 2013 würden mit einer Million Euro Projekte in Syrien und für die Flüchtlingsarbeit hierzulande unterstützt. Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, hat im vergangenen Jahr die 2013 von der Bundesregierung beschlossene Aufnahme von 5000 Flüchtlingen aus Syrien begrüßt und betonte: „Angesichts von 1,4 Millionen Flüchtlingen in den Anrainerstaaten Syriens und 8.000 Menschen, die täglich aus Syrien fliehen, müssen allerdings weitere Schritte folgen“. Im Kreis Groß-Gerau, so der Leiter des Regionalen Diakonischen Werks Groß-Gerau/ Rüsselsheim Lucian Lazar, übernehme das Diakonische Werk gemeinsam mit dem Caritasverband Offenbach/ Main und der Neuen Wohnraumhilfe gGmbH die Aufnahme, Erstversorgung und Wohnraum-Akquise für insgesamt 700 Flüchtlinge, die 2014 in den Landkreis Groß-Gerau zugewiesen werden. Da Wohnraum knapp sei und Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens weder arbeiten dürften noch Sprachkurse erhielten, seien ehrenamtliche Hilfsangebote willkommen, so der engagierte Leiter des regionalen Diakonischen Werkes.

Syrien ist in einem brutalen, nicht zu beschreibendem Krieg

Seit 1990 reist Wolfgang Schwaigert regelmäßig nach Syrien. Seit 1974 spricht der Theologe, Professor und Pfarrer, inzwischen im Ruhestand, arabisch, studierte und lehrte die Wissenschaft vom christlichen Orient und betonte in seinem 90-minütigen Vortrag: „Sie werden es noch erleben, dass der Nahe Osten explodiert!“ Sein Kirchenbezirk Blaubeuren ist seit 1999 partnerschaftlich mit der Erzdiözese Mesopotamien und Euphrat im Nordosten Syriens verbunden. Im Mittleren Osten gibt es nicht nur Muslime, sondern auch ein sehr aktives Christentum mit Wurzeln, die bis in die biblische Zeit zurückreichen. Die Partnerschaft will Brücken schlagen zwischen beiden Kulturen und Kirchen. Durch diese Partnerschaft hat Prof. Dr. Schwaigert die Verfolgung der Christen der orientalisch-orthodoxen Diözese in Syrien hautnah miterlebt: „Das Land ist in einem ganz brutalen, nicht zu beschreibendem Krieg. Es ist kein Bürgerkrieg, sondern ein Stellvertreterkrieg“. Die Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter des Ev. Dekanats Groß-Geraus folgten aufmerksam und betroffen dem Vortrag des engagierten Theologen, der mit Karten, Zahlen, Zitaten und Schilderungen aus Syrien und aus dem Irak den Fingerzeig auf die Lage der Christen im Orient legte. Die milliardenschweren sunnitischen Extremisten, genannt Isis, tragen den Anspruch auf Libanon und Jordanien bereits in ihrem Namen „Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien“. Städte in den Tälern von Euphrat und Tigris hätten diese Gotteskrieger laut Schwaigert bereits erobert.

Die Flucht kostet pro Person 10.000 bis 20.000 Dollar

In Syrien lebten vor dem Krieg 1,8 Millionen Christen, aufgeteilt in elf verschiedenen Kirchen. Tausende aus den von der Isis eingenommenen Gebieten im Nordosten Syriens seien auf der Flucht: „ Mehr als die Hälfte der christlichen Bevölkerung in Hassake und in Karnishli sind geflohen. Nur die Armen sind noch dort, denn sie haben kein Geld, um auszuwandern. Eine Flucht kostet 10- bis 20.000 Dollar pro Person. Schwer auszumachen, wie viele Christen noch dort sind. Sicherlich um die 100.000 Christen sind von dort über die Türkei geflüchtet; Nicht in die Flüchtlingslager nach Jordanien oder in die Türkei sind sie geflohen, denn sie werden dort als vermutete Assad-Anhänger terrorisiert, sondern in die Klöster. Über Istanbul versuchen sie nach Europa zu gelangen.“

Schwaigert erklärte, dass die Stadt Aleppo im Norden Syriens mit 4 Millionen Einwohnern die wichtigste und reichste Stadt Syriens mit 835 Goldgeschäften gewesen sei „bis das Gerücht aufkam, wer Aleppo in seiner Gewalt hat, der hat den Krieg gewonnen.“ Basar und Goldgeschäfte seien ausgeraubt und 3850 große Industrieanlagen und Fabriken demontiert und in die Türkei verkauft worden. 93 Prozent der Industrie seien demontiert worden. Kirchen wurden zerstört, in einer Stadt, in der einst 400.000 Christen lebten.

Das Scharia-Gericht der ISIS befiehlt: Nehmt ihre Frauen und enthauptet die christlichen Männer

Die Christenverfolgung, so der Dekanatssynodalvorstands (DSV-)-Vorsitzende Holger Tampe in der anschließenden Diskussion, sei nie größer gewesen als heute. Ein Grund für den DSV, sich bei ihrer thematischen „Sommersynode“ umfassend mit der Lage der Christen im Nahen Osten und mit den Hilfsprojekten der EKHN in Nahost zu befassen. Auf die Frage, warum sich junge Leute der radikalen Isis anschlössen, antwortete Schwaigert: „Weil sie dort eine einfache und klare Lösung, eine Verschwörungskameradschaft finden. Das ist vergleichbar mit der Hitlerjugend, der SS im Dritten Reich“. Die Isis gehe nach der „Scharia“ vor. Scharia, so Schwaigert, der auch das Fach Religion/Islam unterrichtet hat, bedeute „der Weg zur Quelle. Jedes Leben hat die Zielrichtung, die Scharia umzusetzen, durch die Wüste, auf dem Weg zur Tränke.“ Was das „Scharia-Gericht“ den brutalen Isis-Truppen für deren jeweils zu erobernden Orte „als Befehl Gottes“ vorgebe, zitierte Schwaigert anhand eines aus dem Arabischen übersetzten Briefes: „Das Scharia-Gericht ordnet an, den Angriff um 0.00 zu starten. Zerstört alle Einrichtungen, die dem Genuss dienen. Brennt alle Läden nieder, in denen Alkohol und Zigaretten verkauft werden, übernehmt die Kontrolle über alle Silber- und Goldgeschäfte, das ist Euer Lohn von Gott. Übernehmt die Kontrolle über Lebensmittel- und Kleidungsläden und teilt sie an die Isis-Kämpfer auf. Nehmt ihre Frauen, sie gehören euch und enthauptet die christlichen Männer. Kein Kurde soll mehr in der Stadt sein, vertreibt sie aus der Stadt.“ Dieser Brief liegt seit dem 20. Juni 2014 dem Zentralrat orientalischer Christen in Deutschland vor.

Christen sind die Hauptverlierer in Syrien

Den 34 anwesenden Synodalen, den DSV-Mitgliedern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Evangelischen Dekanats Groß-Gerau wurde spätestens bei dieser Dekanatssynode klar, dass es im Mittleren Osten nicht nur Muslime, sondern auch ein sehr aktives Christentum gibt mit Wurzeln, die bis in die biblische Zeit zurückreichen. Syrien sei immer von großer religiöser Toleranz geprägt gewesen, so Schwaigert. „Der Bau von Kirchen war uneingeschränkt möglich, Wasser und Strom waren umsonst“. In Altsyrien, wo sich in einer Höhlenkirche in Antiochia die Jünger um Jesus erstmals Christen nannten und erste christliche Gemeinden um Paulus, Barnabas und Petrus einst entstanden, „sind Christen heute die Hauptverlierer und sie wollen Frieden.“

Ökumenische Partnerschaften, wie das Beispiel aus Blaubeuren zeigt, schlagen Brücken zwischen beiden Kulturen und Kirchen. Brücken zur Stärkung der beiderseitigen christlichen Identität, die auch die EKHN in ihren Beziehungen und Projektförderungen in Israel und Palästina, im Libanon, in Syrien und im Irak seit vielen Jahren „baut“. Kirchengemeinden und Dekanate erhalten von der EKHN Gelder für die hiesige regionale Flüchtlingsarbeit. „Kirchengemeinden können hier viel bewegen“, merkte Lucian Lazar an. Wer Wohnraum oder ehrenamtliche Unterstützung für Betreuung oder Deutschunterricht für Flüchtlinge anbieten kann, möge sich bei Melanie Vogel in der Frankfurter Str. 26 in Groß-Gerau unter m.vogel@diakonie-kreisgg.de oder mobil unter der Rufnummer 0176/ 16804222 melden.

Wolfgang Prawitz resümierte in seinem Vortrag vor den Delegierten der Groß-Gerauer Dekanatssynode: „Finanzielle Hilfen sind oft nicht ausreichend. Wir sind verpflichtet zum Dialog und wir können beten, das ist ganz wichtig für unsere Geschwister.“ Wichtig sei auch, immer wieder klar zu stellen, dass Muslime hierzulande das Vorgehen der islamischen Extremisten genauso verurteilten wie wir. Oft seien sie dennoch verstärkt rassistischen Anfeindungen ausgesetzt.

Von Heidi Förster

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