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Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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Vorreiter: Wegweisende Entscheidung der Sonder-Synode

Trauung und Segnung jetzt weitgehend gleich

Die Synode der EKHN hat einen neuen Leitfaden beschlossen: Taufe und Bestattungen werden in der Lebensordnung neu geregelt, die traditionelle Trauung und die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare weitgehend gleichgestellt.

Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat die seit über zehn Jahren in der EKHN bereits mögliche Segnung von eingetragenen Lebenspartnerschaften aufgewertet. Die Gottesdienste zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren sollen nach dem Willen des Kirchenparlaments mit den traditionellen Trauungen weitgehend gleichgestellt werden. Als Amtshandlung können Segnungen nun auch in Kirchenbüchern beurkundet werden. Es soll darüber hinaus weiter beraten werden, ob die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare auch als Trauung bezeichnet werden kann.

Gleichstellung der Segnung ist Teil der neuen Lebensordnung

Diese Neuerung ist Teil eines Regelwerks, das Gemeinden beispielsweise bei Gottesdiensten, Taufen und Beerdigungen neue Gestaltungsspielräume eröffnet. In der neuen so genannten Lebensordnung werden Gemeinden grundsätzlich aufgefordert, sich stärker mit der aktuellen Lebenswirklichkeit der Menschen zu befassen. So sollen künftig stärker Nichtmitglieder eingeladen werden. Auch für Ausgetretene soll es leichter werden, am Leben in den Gemeinden weiter teilzunehmen. Zudem sollen sich Gemeinden stärker den Musikwünschen von Angehörigen bei Beerdigungen oder Trauungen öffnen. Feiern mit anderen Religionen werden befürwortet.

Beschlossen wurde die neue Lebensordnung nach einer intensiven Debatte und mit überwältigender Mehrheit. Von den 134 Kirchenvertreterinnen und -vertretern der Sonder-Synode in Darmstadt stimmten nur drei dagegen. Zwei enthielten sich bei der Abstimmung. Synodale schlugen vor, den neuen Entwurf bald in den Gemeinden vorzustellen.  

Engagierte und sachliche Debatte in Darmstadt

Der Präses der Kirchensynode der EKHN, Dr. Ulrich Oelschläger, würdigte eine „engagiert und sachlich geführte Debatte über zentrale Fragen des Gemeindelebens“. Es sei „höchste Zeit für eine Neuauflage der Lebensordnung“ gewesen. Die meisten Regelungen zur Gemeindepraxis seien bereits „über ein halbes Jahrhundert alt und das Leben hat sich seitdem in vielen Dingen geändert.“ Ein Hauptziel der Neufassung sei es gewesen, die evangelische Tradition ebenso ernst zu nehmen wie die Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert. „Dass uns das gelungen ist, darauf dürfen wir stolz sein“, so Oelschläger.

Bisherige Praxis ist in neues Regelwerk eingeflossen

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung, bezeichnete die neue Lebensordnung, als „Leitfaden, der die Gemeinden bei ihrer Arbeit unterstützt und bestärkt.“ Er begrüßte die Entscheidung zur Segnung. „Hier ist die bisherige Praxis der Segnungen von eingetragenen Parterschaften konsequent in den Abschnitt über die Trauung integriert worden", so Jung. Nach evangelischem Verständnis seien beides Segenshandlungen und keine Sakramente. Zudem bliebe es den einzelnen Pfarrerinnen und Pfarrern sowie den Kirchenvorständen vorbehalten, Segenshandlungen abzulehnen. Jung danke allen Beteiligten an der Neufassung der Lebensordnung, insbesondere den Gemeinden, Dekanaten, der Synode und der Kirchenverwaltung, die hier maßgeblich mitgewirkt hätten.

Breiter Beteiligungsprozess ist nun abeschlossen

Die rund 40 Seiten umfassenden Neufassung der „Ordnung für das kirchliche Leben in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“ gilt als eine Art Gebrauchsanweisung für die Gemeindepraxis. In einem umfangreichen Beteiligungsprozess hatten sich neben einer Kommission der Kirchenleitung und den Ausschüssen der Kirchensynode unter anderem auch Universitätstheologen sowie 196 Gemeinden, 14 Dekanatssynoden und elf Pfarrkonvente beteiligt. Insgsamt dauerte die Arbeit an dem Papier rund zehn Jahre. Zielgruppe des neuen Textes sind nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern auch die ehrenamtlich arbeitenden Kirchenvorstände und interessierte Kirchenmitglieder.

Hintergund: Die Kirchensynode 

Die Synode ist gemäß der Kirchenordnung das „maßgebende Organ“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Geleitet wird die mit einem Parlament in etwa vergleichbare Institution vom Kirchensynodalvorstand mit Präses Dr. Ulrich Oelschläger (Worms) an der Spitze. Seine Stellvertreterin ist Dr. Susanne Bei der Wieden (Frankfurt). Die Synode besteht derzeit aus 152 Frauen und Männern. Sie erlässt Gesetze, besetzt durch Wahl die wichtigsten Leitungsämter und beschließt den Haushalt. Darüber hinaus trifft sie auch wichtige kirchenpolitische Entscheidungen.

Mehr zur Lebensordnung:
Im Folgenden entscheidende Abschitte zum Thema Trauung und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aus der Lebensordnung der EKHN - Stand Juni 2013

Abschnitt V:

Die Trauung (Segnung einer standesamtlichen Eheschließung) und die Segnung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft

1. Herausforderungen  

235 Der christliche Glaube betrachtet es als ein Gottesgeschenk, wenn Menschen ihre Liebe zueinander entdecken und sich dauerhaft miteinander verbinden. Die Ehe, in der eine Frau und ein Mann in lebenslanger Bindung einen rechtlich abgesicherten Lebensraum für sich und Kinder eröffnen, ist zu einem kirchlichen und gesellschaftlichen Leitbild geworden. Die kirchliche Trauung setzt die öffentliche, auf Dauer angelegte und rechtlich folgenreiche Verbindung zweier Menschen voraus. Neben der Ehe hat auch die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft rechtliche Anerkennung erfahren: Sie wird im Personenstandsregister eingetragen und entfaltet Rechtsfolgen, die denen der Ehe ähneln. Viele Menschen wünschen, dass ihre Partnerschaft in einem Gottesdienst gesegnet wird. 

236 Die Ehe hat einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig gibt es eine große Zahl von Ehen, die geschieden werden. Dazu wirken sich vielfältige Formen gesellschaftlicher Trends auf das Bild von der Ehe aus. Auch gehören Kinder nicht mehr zwingend zu einer Ehe oder können in anderen familiären Konstellationen aufwachsen. Andererseits wächst die Zahl der Trauungen, bei denen Kinder des Paares oder Kinder aus früheren Partnerschaften anwesend sind und auf angemessene Weise integriert werden müssen.

237 Auch die Vorstellungen von der Trauung wandeln sich. Einerseits bleibt sie fest im kirchlichen Raum verankert, andererseits wollen die Brautpaare und ihr soziales Umfeld den Charakter der Trauung selbst bestimmen. Zudem erscheint die Trauung oft als ein Bestandteil innerhalb eines als Gesamtarrangement organisierten Hochzeitsfestes. Dieses wird von gesellschaftlichen Trends und individuellen Wünschen mitgeprägt. Es ist dann eine spannungsvolle Herausforderung, die Trauung als kirchlichen Gottesdienst zu gestalten.

238 Längst nicht alle Kirchenmitglieder, die eine Ehe schließen, wünschen auch eine kirchliche Trauung. Diese Tatsache betrachtet die Kirche als Herausforderung. Für diese Haltung gibt es unterschiedliche Gründe: Die Bedeutung der standesamtlichen Trauung ist gestiegen, ein Hochzeitsfest verursacht hohe Kosten oder die Brautleute vermuten, die Kirche würde von ihnen ein bestimmtes Verhalten erwarten. Der Grund kann auch ein kultureller Wandel sein: Menschen ordnen die Eheschließung so stark dem Bereich des privaten Lebens zu, dass sie den öffentlichen Gottesdienst damit nicht mehr zwingend in Zusammenhang bringen. Die Herausforderung für die Kirche besteht vor allem darin, glaubwürdig zu vermitteln, dass die Trauung der Ort dafür ist, das Leben des Paares in seinen privaten und sozialen Zusammenhängen durchsichtig für das Geheimnis der Liebe Gottes zu machen. Die Bereitschaft von Paaren, darüber intensiver zu sprechen, nehmen viele Gemeinden z. B. durch Angebote begleitender Seminare auf.

239 Umgekehrt gibt es Anfragen von Paaren, die sich zwar eine öffentliche kirchliche Trauung wünschen und sich darin Gottes Segen für ihre feste Partnerschaft zusprechen lassen möchten. Aber sie wollen, zum Beispiel aus ökonomischen Gründen, keine rechtliche Bindung durch die standesamtliche Eheschließung eingehen. Seit 2008 ist durch die Änderung des deutschen Personenstandsgesetzes eine gottesdienstliche Trauung ohne vorherige standesamtliche Eheschließung für die handelnden Pfarrerinnen und Pfarrer nicht mehr staatlich strafbewehrt.

240 Die neue Form der standesamtlich eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ist zu einer Herausforderung für das evangelische Verständnis der Trauung geworden. Die Einführung einer Segnung solcher Partnerschaften hat innerhalb der Kirche zu großen Spannungen geführt: Eine Auffassung geht davon aus, dass gelebte Homosexualität biblisch verurteilt wird und deshalb solch eine Segnung grundsätzlich unzulässig ist. Dies sei auch die ökumenische Mehrheitsmeinung. Die entgegen gesetzte Auffassung geht davon aus, dass die Segnung nicht verweigert werden kann, da Gott unterschiedliche sexuelle Orientierungen geschaffen hat, so dass auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften unter dem Segen Gottes gelebt werden können.

241 Seit vielen Jahren sehen sich die christlichen Kirchen vor Herausforderungen, die mit gemischt-konfessionellen Ehen verbunden sind. Durch die Bevölkerungsbewegungen, die der Zweite Weltkrieg ausgelöst hat, musste die Gesellschaft in Deutschland eine große Integrationsleistung vollbringen. Seitdem sind viele Gebiete nicht mehr konfessionell homogen, und es wurden viele Ehen zwischen Menschen unterschiedlicher Konfession geschlossen. Die Kirchen haben auf den Wunsch gemischt-konfessioneller Ehepaare nach ökumenischen Traugottesdiensten mit dem Modell konfessioneller Trauungen unter Beteiligung der zur Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung Beauftragten der jeweils anderen Konfession reagiert. Nach wie vor verhindern unterschiedliche theologische Sichtweisen, dass echte ökumenische Trauungen gefeiert werden können.

242 Die christlichen Kirchen werden – bedingt durch weltweite Migrationsbewegungen – zunehmend durch gemischt-religiöse Ehen herausgefordert. Zunehmend entsteht der Bedarf nach gottesdienstlichen Feiern, die das entsprechend berücksichtigen.

2. Biblisch-theologische Orientierungen

2.1 Theologie der Lebensgemeinschaft  

243 Nach einhelliger evangelischer Überzeugung bezeugen die biblischen Texte: Gott hat den Menschen zur Gemeinschaft geschaffen (1 Mose 2,18). In der Bestimmung zu einem Lebensbündnis zwischen zwei Menschen zeigt sich Gottes Liebe zu den Menschen. Diese Bestimmung zum Lebensbündnis ist gleichermaßen Zeichen, Geschenk und Geheimnis seiner Liebe. Darum ist es ausgerichtet auf Dauer, auf gegenseitiges Vertrauen und auf Verlässlichkeit (vgl. 1 Kor 13). In diesem Lebensbündnis haben Liebe und Freude aneinander ihren Platz sowie auch die Bereitschaft, Lasten gemeinsam und stellvertretend füreinander zu tragen (Gal 6,2). Gottes bedingungslose Liebe eröffnet die Möglichkeit, dass menschliche Liebe, die ein Lebensbündnis trägt, nicht berechnend ist und dass sie durch Brüche hindurch weiter bestehen kann. Gerade auch in ihrer Brüchigkeit kann irdische Liebe die Wahrheit des Glaubens zum Ausdruck bringen, weil sie sich immer wieder neu auf die bedingungslose Liebe Gottes beziehen muss.

244 Gravierende Veränderungen in Kultur und Gesellschaft fordern die Kirchen heute immer wieder neu heraus. Die evangelische Auslegung biblischer Schriften gelangt in realistischer Einschätzung ihrer eigenen Grenzen und in theologischer Verantwortung angesichts dieser Herausforderungen in der Bewertung der Formen menschlicher Lebensgemeinschaften zu neuen Perspektiven. Das göttliche Geschenk des Lebensbündnisses gilt unterschiedslos allen Menschen. Lebensordnung

245 Wird die Liebe zweier Menschen im Lichte des Wortes Gottes der Heiligen Schrift betrachtet, dann ist zu beachten: Die biblischen Texte deuten nicht die heutige Lebenswirklichkeit, sondern ihre eigene Zeit. Dabei sind sie eingebunden in zeitbedingte Vorstellungen. Gottes Geschenk des Lebensbündnisses zwischen zwei Menschen war damals ausschließlich auf die Form der Ehe zwischen Mann und Frau beschränkt.

246 Für neutestamentliche Texte bietet die Ehe einen wichtigen Rahmen, innerhalb dessen Menschen Liebe, Freude aneinander, Fürsorge, Verlässlichkeit, Treue dauerhaft leben können. Dazu gehört es, einander anzunehmen und auch die Lasten gemeinsam sowie stellvertretend füreinander zu tragen.

247 So hat die Ehe als Lebensform eine wichtige Bedeutung für die Kirche. Diese hat den Auftrag, Menschen dafür Gottes Segen zuzusprechen und sie darin zu unterstützen und sie dabei zu begleiten, dass sie evangeliumsgemäß leben können (Röm 15,7 und Gal 6,2).

248 Die Christenheit hat also die jeweiligen kulturellen Formen menschlicher Bündnisse aufgenommen und – oft erst über lange Zeiträume – vom Glauben her neu interpretiert. Die im römischen Recht vorgefundene Form der Eheschließung von Männern und Frauen durch Konsens wurde zur Grundform der Ehe im Abendland. Allerdings war diese Form des Lebensbündnisses nicht allen Menschen möglich. Weil die Ehe immer ökonomische Gründe und Folgen hatte, konnten und durften besonders die Armen über Jahrhunderte keine Ehen schließen. Erst in der Neuzeit hat sich die Ehe als allgemeine Form des Lebensbündnisses durchgesetzt. Und erst am Ende des 20. Jahrhunderts wurde hierzulande die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen in der Ehe hergestellt. Heute gilt die Ehe von Mann und Frau als Keimzelle der (Klein-)Familie und des Gemeinwesens und wird deshalb rechtlich besonders geschützt.

249 Die Ehe wird durch die Liebe des Paares mit Leben erfüllt und gestaltet. Sie ist keine zeitlose Ordnung oder Verordnung Gottes, sondern verändert sich mit dem Verständnis verlässlicher und verbindlicher Lebenspartnerschaften. Das Verständnis der Ehe unterliegt also einem Wandel und kann vielfältig gelebt werden. Die Ehe als Institution kann auch zum Modell gleichgeschlechtlicher Lebensbündnisse werden. Unterschiedliche Formen der Ehe und Lebenspartnerschaften können Gottes Liebe und Treue unter uns Menschen zur Darstellung bringen und einen Rahmen bieten, in dem Gottes zugesprochener Segen sich verwirklicht.

 (….)

2.3 Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften

255 Heute wird davon ausgegangen, dass die gleichgeschlechtliche Orientierung zu den natürlichen Lebensbedingungen gehört. Homosexualität kann als Teil der Schöpfung gesehen werden. Von seiner Schöpfung sagt Gottes Wort: „Siehe, es war sehr gut“ (1 Mose 1), und der Mensch kann zu Gott beten: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele“ (Psalm 139). Dieser Lobpreis des Schöpfers und der Schöpfung ist unabhängig von der sexuellen Orientierung des Menschen.

256 Allen Christinnen und Christen gilt die Zusage einer Neuschöpfung in Christus (2 Kor 5,17), und sie hoffen auf die Vollendung der Beziehung zu Gott (vgl. Röm 8,23). 257 Es gibt in den biblischen Texten eine klare Ablehnung gelebter Homosexualität (3 Mose 18,22-25; Röm 1,26 f; 1 Tim 1,10 und öfter). Diese Texte sind jedoch von einer antiken Weltsicht geprägt, nach der es nur eine geschlechtliche Orientierung gibt, nämlich die heterosexuelle. Homosexualität erscheint darum als verwerfliches Verhalten von Heterosexuellen, die grundsätzlich auch anders handeln könnten. Deshalb wird an den entsprechenden Stellen hart über dieses Verhalten geurteilt. Wenn man aber davon ausgeht, dass es nicht nur eine einzige geschlechtliche Orientierung gibt, geht die in der Bibel zu findende Verurteilung gleichgeschlechtlicher Praktiken heute ins Leere. Die Treue zu den biblischen Texten und die Bejahung gleichgeschlechtlicher Liebe schließen sich nicht mehr gegenseitig aus. Lebensordnung

258 Die EKHN ist sich bewusst, dass diese Sichtweise in manchen anderen Kirchen abgelehnt wird. Ökumenisch sind Kirchen dadurch, dass sie sich an Jesus Christus ausrichten und sich darin begegnen. Die kulturellen Muster, die auch in Kirchen in Fragen der Geschlechtlichkeit wirksam sind, sind im Leib Christi keine endgültigen Festlegungen. „Wer Gottes Willen tut“, sagt Jesus, „ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“ (Mk 3,35). Alle sozialen Festlegungen auf der Grundlage der Zweigeschlechtlichkeit, wie etwa die Verweigerung der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, sind deshalb kritisch zu hinterfragen. Das gilt aber auch für die Überlegungen, die in dieser Lebensordnung begründet werden. Der EKHN liegt viel daran, das ökumenische Gespräch im Geist der Geschwisterlichkeit weiter zu führen, stets wissend, dass Menschen auch irren können und auf den Geist der Wahrheit Gottes angewiesen sind.

2.4 Die Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften 

259 In den vergangenen Jahren hat sich die gesellschaftliche Sicht auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften stark verändert. Ein Gottesdienst ist immer dann möglich, wenn ein öffentliches, rechtlich anerkanntes Lebensbündnis zweier Menschen vorliegt. Weitere Bedingungen hinsichtlich des Familienstandes oder des Geschlechts sind theologisch nicht zwingend.

260 Gegenwärtig ist in der EKHN und in anderen evangelischen Kirchen kein Konsens darüber herzustellen, dass die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften biblisch und theologisch begründbar ist. Im Geist der Geschwisterlichkeit soll darum auf jene Rücksicht genommen werden, denen die Zustimmung zu einer solchen Handlung aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung nicht möglich ist. Schon Paulus hatte in den vielen Konflikten der ersten christlichen Gemeinden eine solche Rücksichtnahme auf jene empfohlen, die sich gegenüber der neuen Sichtweise des Glaubens verschlossen. Deshalb soll es für Kirchenvorstände sowie für Pfarrerinnen und Pfarrer möglich sein, eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften abzulehnen.

2.5 Die Offenheit von Lebensbündnissen für das Leben mit Kindern 

261 Zur Lebenswirklichkeit gehört es, dass die Geburt von Kindern keine Familie voraussetzt, sondern eine Familie entstehen lässt. Die Offenheit des Lebens für die Geburt von Kindern (Generativität) ist wesentlicher Ausdruck des Vertrauens in das Dasein und das Versprechen Gottes, seine Schöpfung zu erhalten. Kinder sind ein Geschenk Gottes. Die Generativität steht jedoch in keinem zwingenden Zusammenhang mit der Ehe. Heute bleiben viele Ehen freiwillig oder unfreiwillig kinderlos. Umgekehrt leben Kinder in ganz unterschiedlichen sozialen Konstellationen: Sie werden von Vater und Mutter oder von einem Elternteil allein erzogen. Sie leben mit gleichgeschlechtlichen Paaren oder in Patchwork-Familien, als Pflege- oder Adoptivkinder. Eine Kirche, die Kinder bejaht und willkommen heißt, wird darum nicht eine bestimmte Vorstellung von Familie zur Voraussetzung machen. Sie fragt vielmehr, wie sie diejenigen stärken kann, die den Kindern ihre Liebe und Fürsorge schenken.

3. Richtlinien und Regelungen

3.1 Die Trauung (Segnung einer standesamtlichen Eheschließung) und die Segnung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft

262 Im Gottesdienst wird ein vor dem Standesamt eingegangenes Lebensbündnis unter den Segen Gottes gestellt, der dem gegenseitigen Versprechen des Paares Verheißung und Orientierung schenkt.

263 Die evangelischen Kirchen halten daran fest, die standesamtliche Eheschließung als Voraussetzung einer kirchlichen Trauung zu sehen. Damit soll verhindert werden, dass die Kirche mit einer nur religiös begründeten Lebensgemeinschaft rechtliche Erwartungen weckt, die das staatliche Recht nicht erfüllt. Die rechtliche Bedeutung der Eheschließung und die Trauung als Segnung einer rechtlich folgenreichen Verbindung zweier Menschen bleiben so im Einklang miteinander.

264 Der standesamtliche Vollzug der Eheschließung oder der eingetragenen Lebenspartnerschaft müssen durch Vorlage der entsprechenden Bescheinigungen des Standesamtes nachgewiesen sein.

265 Mindestens eine Partnerin oder ein Partner muss der evangelischen Kirche angehören und beide müssen die Segnung ihres Lebensbündnisses wünschen. Lebensordnung

266 Gehört bei einer Trauung eine Partnerin oder ein Partner der römisch-katholischen Kirche an, so kann der Gottesdienst entweder als evangelische oder als katholische Trauung unter Beteiligung der zur Gottesdienstleitung Berechtigten beider Kirchen erfolgen.

267 Gehört einer der Partner einer anderen Religionsgemeinschaft an, so kann ein evangelischer Gottesdienst gefeiert werden, wenn sich beide unter den Segen des dreieinigen Gottes stellen wollen. Die Segnung wird den anderen Glauben mit Respekt behandeln.

268 Der Gottesdienst ist auch dann möglich, wenn eine frühere Ehe bei einem oder beiden Partnerinnen oder Partnern geschieden oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft aufgelöst wurde.

3.2 Die Anmeldung

269 Die Anmeldung geschieht in der zuständigen Kirchengemeinde, zu der eine Partnerin oder ein Partner gehört.

270 Soll der Gottesdienst zwar in der zuständigen Kirchengemeinde, nicht aber von der zuständigen Gemeindepfarrerin oder dem zuständigen Gemeindepfarrer gehalten werden, ist deren oder dessen Einverständnis erforderlich. Soll der Gottesdienst in einer anderen Kirchengemeinde stattfinden, ist eine Bescheinigung über die Zustimmung der zuständigen Pfarrerin oder des zuständigen Pfarrers erforderlich.

 3.3 Das vorbereitende Gespräch

271 Vor dem Gottesdienst wird mit dem Paar mindestens ein Gespräch geführt. In dem Gespräch sollen Gottes Verheißungen und biblische Orientierungen für das gemeinsame Leben zur Sprache kommen. Ebenso soll das Paar in die Planung des Gottesdienstes einbezogen werden. Die Regeln der örtlichen Kirchengemeinde und die Wünsche des Paares sowie gegebenenfalls seiner Angehörigen sind aufeinander zu beziehen. Die musikalische Gestaltung ist mit der zuständigen Kirchenmusikerin oder dem zuständigen Kirchenmusiker abzustimmen. Lebensordnung

3.4 Zeit und Ort des Gottesdienstes

272 In den stillen Zeiten des Kirchenjahres – in der Karwoche und vor dem Ewigkeitssonntag (Totensonntag) – finden keine Gottesdienste zur Segnung eines Lebensbündnisses statt. In der Regel gilt das auch für die kirchlichen Hochfeste.

273 Der Gottesdienst wird grundsätzlich in einem öffentlich zugänglichen Kirchengebäude oder Gottesdienstraum gefeiert. Ausnahmen sollen mit den Regelungen anderer Kirchengemeinden im Umfeld abgestimmt werden, bevor sie durch den örtlich zuständigen Kirchenvorstand beschlossen werden.

274 Gibt es in einem Dekanat sogenannte Traukirchen, so ist der Dienst im Dekanat abzustimmen. Auch besondere finanzielle Regelungen sollen im Dekanat abgestimmt werden, bevor sie vom örtlich zuständigen Kirchenvorstand beschlossen werden.

275 Jedes Paar erhält im Gottesdienst ein Bibelwort als Spruch zur Trauung oder Segnung.

276 Jedes Paar erhält auf Wunsch im Gottesdienst eine Bibel als Geschenk der Kirchengemeinde.

3.5 Ablehnung der Trauung oder der Segnung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und Rechtsbehelfe

277 Lehnt die zuständige Gemeindepfarrerin oder der zuständige Gemeindepfarrer eine Segnung der eingetragenen Lebenspartnerschaft generell ab, beauftragt die Dekanin oder der Dekan eine andere Pfarrerin oder einen anderen Pfarrer mit der Segnung.

278 Lehnt der zuständige Kirchenvorstand die Segnung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft generell ab, so muss eine andere Kirchengemeinde gefunden werden, in welcher der Gottesdienst stattfinden kann. Der Kirchenvorstand hat das Paar darauf hinzuweisen, dass es sich dazu an die Dekanin oder den Dekan wenden kann.

279 Im Einzelfall entscheidet die Pfarrerin oder der Pfarrer, ob die Trauung oder Segnung der eingetragenen Lebenspartnerschaft nach der kirchlichen Ordnung durchgeführt werden kann. Im Zweifelsfall entscheidet der Kirchenvorstand über die Zulässigkeit der Trauung oder Segnung. Wird der Gottesdienst abgelehnt, ist die Entscheidung dem Paar schriftlich mitzuteilen. Die Betroffenen sind darauf hinzuweisen, dass sie dagegen Einspruch beim Dekanatssynodalvorstand erheben können.

280 Bleibt die Pfarrerin oder der Pfarrer entgegen der Entscheidung des Kirchenvorstands oder des Dekanatssynodalvorstands unter Berufung auf ihr bzw. sein Ordinationsversprechen bei ihrer oder seiner Ablehnung, überträgt die Dekanin oder der Dekan den Gottesdienst einer anderen Pfarrerin oder einem anderen Pfarrer.

3.6 Beurkundung und Bescheinigung

281 Die Trauung und die Segnung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft werden nach der Kirchenbuchordnung als kirchliche Amtshandlung beurkundet. Das Paar erhält eine Bescheinigung.

3.7 Jubiläen

282 Jubiläen sind ein guter Anlass, um den Dank für den Segen Gottes zum Ausdruck zu bringen. Der Kirchenvorstand soll es Paaren ermöglichen, dies in einem Gottesdienst zu feiern.

 

 

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