Notfallseelsorge

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Die Notfallseelsorge wendet sich an alle Menschen und deren Angehörige in Krankheitssituationen, unabhängig von ihrer Lebens- & Glaubensorientierung. Außerdem begleitet sie auch das Klinikpersonal in Krisensituationen durch Gespräche oder rituelle Handlungen. Sie bewegt sich in einem interkulturellen und multireligiösen Raum, unterliegt der Schweigepflicht und ist nicht den Kliniken zur Auskunft verpflichtet! In den Kliniken gibt es in der Regel eine ökumenische Kooperation, vor allem mit der katholischen Kirche.

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Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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Groß-Gerauer Gemeinde bietet Schutz

Kirchenasyl: Nothilfe für die Menschenrechte

Demarfa/istockphoto.comViele Flüchtlinge landen zuerst mit dem Boot in Lampedusa

Rund ein Dutzend hessen-nassauische Gemeinden geben derzeit Menschen in Not Kirchenasyl. In Groß-Gerau informierte sich Kirchenpräsident Volker Jung, wie eine Gemeinde damit umgeht: Mit viel Engagement, großer politischer Umsicht und jeder Menge evangelischem Herzblut.

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Heidi FörsterDr. Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN, im Gespräch mit der iranischen Familie im Kirchenasyl der Ev. Kirchengemeinde Groß-Gerau/SüdDr. Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN, im Gespräch mit der iranischen Familie im Kirchenasyl der Ev. Kirchengemeinde Groß-Gerau/Süd

Groß-Gerau / Darmstadt, 12. Dezember 2014. Fast drei Monate hat die Evangelische Kirchengemeinde Groß-Gerau / Süd einem iranischen Ehepaar mit ihrem vierjährigen Sohn Schutz in ihren Räumen gewährt. Ihnen drohte die Abschiebung nach Italien. Das sogenannte Kirchenasyl hatte Erfolg: Inzwischen erklärte sich Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Zudem hat die Familie eine eigene Wohnung in Groß-Gerau in Aussicht. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Dr. Volker Jung, hat die Familie am Freitag (12. Dezember) besucht und dabei vor allem das große Engagement der evangelischen Gemeinden für Flüchtlinge gewürdigt. Gleichzeitig stellte er auch klar heraus: „Kirchenasyl ist immer ein Akt der Nothilfe und des Beistands bei der Durchsetzung eines Menschenrechts“.

Iranische Familie: Facebook-Eintrag wurde zum Verhängnis

Vor ihrer Flucht aus dem Iran hatte Vater Amir sich im sozialen Netzwerk „Facebook“ per Internet kritisch über das Regime im Heimatland geäußert. Daraufhin wurde die Wohnung der Familie durchsucht. Amir erhielt mehrere Vorladungen der iranischen Sicherheitsbehörden. Er befürchtete, wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet und angeklagt zu werden. Um dem zu entgehen, hatte die Familie über die italienische Botschaft  Visa für die EU beantragt. Im Dezember 2013 konnte sie ausreisen und flog direkt nach Frankfurt, da in Deutschland bereits Verwandte lebten. In der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen stellte die Familie dann im Januar einen Asylantrag und wurde einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Groß-Gerau zugeteilt.

Flüchtlings-Situation: Katastrophale Bedingungen in Italien

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das in Deutschland die Asylverfahren durchführt, erklärte sich jedoch für den Asylantrag nicht zuständig. Nach der sogenannten „Dublin-III-Verordnung“ ist in Europa das Land für einen Asylantrag verantwortlich, das den Asylbewerbern die Einreise ermöglicht hat oder ein Visum ausgestellt hat. Im Fall der iranischen Familie also Italien. Das Bundesamt ordnete deshalb die Abschiebung nach Italien an. Viele Flüchtlinge, die zuvor in Italien gelebt haben und nach Deutschland weiter gereist sind, berichteten in den vergangenen Jahren von den teilweise katastrophalen Umständen in Italien. Viele seien obdachlos gewesen und hätten lediglich Mahlzeiten durch die katholische Hilfsorganisation Caritas erhalten. Eine medizinische Versorgung sei nicht oder nur unzureichend erfolgt. Dennoch vertrat das Bundesamt den Standpunkt, dass eine Abschiebung der iranischen Familie nach Italien zulässig sei. Da das Bundesamt die Abschiebung nach den Vorgaben der „Dublin-III-Verordnung“ nur innerhalb einer Frist bis Anfang November durchführen konnte, bot das Kirchenasyl der Familie die Möglichkeit, diesen Zeitraum in der Kirchengemeinde zu überstehen und eine nochmalige Prüfung zu erwirken.

Kirchengemeinde Groß-Gerau: Großes ehrenamtliches Engagement

„Schnell fand sich ein Helferkreis und ein Gruppenraum der Gemeinde wurde mit gespendeten Betten, Schrank, Teppich und Gardinen zum Wohnraum umgestaltet“, so Pfarrer Jürgen Fuge. Die Familie wurde herzlich aufgenommen, konnte die Küche im Gemeindezentrum und die  Dusche im Pfarrhaus mit nutzen. Der vierjährige Sohn fand im Kindergarten der Kirchengemeinde einen Platz. Ehrenamtliche und das Pfarrer-Ehepaar Jürgen und Petra Fuge kümmerten sich um Lebensmitteileinkäufe und organisierten Krankenbesuche. Weitere Ehrenamtliche der Kirchengemeinde unterstützen die Familie mit Sprachunterricht und Besuchen.

Ziel des Kirchenasyls: Abschiebung für Familien mit Kindern abwenden

Nach Aussage ihres Anwalts wird über den Antrag der Familie nun im nationalen Verfahren entschieden Das heißt, dass in den nächsten Monaten eine Anhörung stattfinden wird, in der die Familie ihre Gründe für die Flucht aus dem Iran darlegen kann. „Inzwischen haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wie auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Abschiebungen von Familien mit kleinen Kindern nach Italien nur zulässig sind, wenn Italien im Einzelfall die Gewährleistung sozialer Mindeststandards vor der Durchführung der Abschiebung garantiert. Zukünftig werden wir daher genau darauf achten, ob Italien diese Garantieerklärungen im Einzelfall abgibt und ob diese auch eingehalten werden“, teilt Pfarrer Wolfgang Prawitz vom Evangelischen Dekanat Groß-Gerau mit, der während der Zeit des Kirchenasyls den Kontakt zu den zuständigen Behörden hergestellt hatte.

Kirchenpräsident Jung: Unterkunft in Gemeinden als Nothilfe verstehen

Für Hessen-Nassaus Kirchenpräsident Dr. Volker Jung ist es ein „Herzensanliegen der Kirche, Flüchtlingen beizustehen“. Jung bedankte sich bei dem Besuch in Groß-Gerau für das „außergewöhnliche Engagement vieler Gemeinden für Menschen auf der Flucht“. Er machte deutlich, dass „evangelische Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren, damit nicht den Rechtsstaat infrage stellen“. Ein Kirchenasyl diene vielmehr dem Rechtsstaat, es sei „ein Akt der Nothilfe und des Beistands bei der Durchsetzung eines Menschenrechts“. Dabei habe bisher noch keine Kirchengemeinde leichtfertig und unbedacht gehandelt. Sie „überlegen gut und lange“, bevor sie entschieden, ein Kirchenasyl zu gewähren. Es gehe dabei vor allem darum, zu erreichen, dass der jeweilige Fall „rechtlich und menschenrechtlich umfassend gewürdigt wird“. Jungs Angaben zufolge gibt es derzeit in der EKHN insgesamt 14 Kirchenasyle.

Hintergrund: Kirchenasyl

Kirchenasyl ist die zeitlich befristete Aufnahme von Schutzsuchenden, deren Abschiebung oder Überstellung in ein anderes Land voraussichtlich eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Betroffenen oder eine Verletzung ihrer Menschenwürde und der Menschenrechte darstellen würde. Während des Kirchenasyls werden alle in Betracht zu ziehenden rechtlichen, sozialen und humanitären Gesichtspunkte geprüft. Dabei gelingt es in vielen Fällen, dass Behörden getroffene Entscheidungen erneut überprüfen und nicht selten auch revidieren.

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